FEMMES ARTISTES

Andrea Gerber

DOMAINE D’ACTIVITE

  • Installations
  • Sculptures/plastiques/objets
Sonnhaldenstrasse 69
4600 Olten
079 748 03 80
installativ.ch

Über meine Kunst

Meine Kunst geht von alltäglichen Vertrautem aus, das sich dem Betrachter auf ungewohnte Weise darbietet. Vermeintlich funktionale Alltagsobjekte mutieren und verweisen auf eine verborgene Abgründigkeit. Bevorzugte Materialien haben oft eine industrielle Herkunft oder stammen aus dem Alltag - meist Objekte die aus versehen abhanden gekommmen sind. Mein ehemaliger Beruf als Schreinerin macht sich bei meinen Arbeiten bemerkbar. Fast alle Kunstwerke - ausschliesslich als Installation geplant - sind Räumlich gedacht und spielen mit Funktionalitäten.

Ausbildungen

2013–2015 2-jährige Ausbildung in Arbeitsagogik in Zürich
2002-2006 4 Jahre an der ZHdK (Studiengang Bildende Kunst)
1998-2001 3-jährige Gestalterische Berufsmatura in Lenzburg
1997-2001 4-jährige Schreiner-Lehre in Windisch

Ausstellungen und Publikationen

Ausstellungen:

04.11.2022-20.11.2022
Ausstellung Kirche Härkingen (SGBK)

09.09.2022-11.09.2022
5.FATart in Schaffhausen

20.08.2022-28.09.2022
Ausstellung Schloss Leuk (SGBK)

12.12.2021-16.01.2022
Cantonale Berne Jura im la Nef Noirmont

27.11.2021-30.01.2022
37. Kantonale Jahresausstellung im Kunstmuseum Olten

14.11.2020-03.01.2021
36. Kantonale Jahresausstellung im Kunstmuseum Solothurn

16.11.2019-05.01.2020
Auswahl 19 im Kunsthaus Aarau

24.05.2019-05.11.2019
Ausstellung Brutkasten Brugg

10.02.2018-25.03.2018
Gruppenausstellung im Kunsthaus Zofingen

22.08.2014-21.09.2014
Gruppenausstellung in der Galerie Zimmermannhaus in Brugg

17.08.2013-29.09.2013
Ausstellung in der Galerie Zimmermannhaus in Brugg

02.02.2013-07.07.2013
Ausstellung Kunstschaufenster im Rehmann Museum in Laufenburg

05.05.2012-17.06.2012
Aeschlimann Corti Stipendium im Centre PasquArt Biel

08.01.2010-28.03.2010
Ausstellung im Kulturclub Dampfschiff in Brugg

01.12.2007-06.01.2008
Auswahl 07 im Kunsthaus Aarau

27.11.2007-18.02.2008
Ausstellung Schaukasten Herisau

02.12.2006-07.01.2007
Auswahl 06 im Kunsthaus Aarau

01.07.2006-13.07.2006
Diplomausstellung im Toniareal in Zürich

04.11.2005-15.01.2006
PARK, Pfingstweidstrasse 6, 8005 Zürich

12.02.2004-29.02.2004
Gruppenausstellung im Kulturzentrum Seedamm in Pfäffikon/SZ

Publikationen:

FONDATION FRANCOISE SCHENIDER (2022)
Talents Contemporains, 11ème édition, Les Finalistes

FAT ART (2022)
5. FATart Art Fair, Woman & FLINTA in arts, 100 zeitgenössische Künstlerinnen/FLINTA

Text zur Kunstarbeit "sweet&sour"

Quitsch, quitsch, die Objekte der Arbeit sweet&sour erinnern an Entenhausen, Spongebob, Simpsons und Superhelden. Künstlich, knallbunt und grotesk überzeichnet flirten sie mit der PopArt – insbesondere auch in ihrer Referenz an die Banalität alltäglicher Konsumgüter, die unter der zum Fetisch erklärten Oberfläche nichts als Luft verbergen.

Der Titel unterstreicht genauso die Ambivalenz kitschig überspitzter Vermarktungsstrategien, die – wenn sie dann zu weit getrieben werden – entweder platzen oder schlapp in sich zusammensacken; der Ballon scheint jedenfalls seinen phallisch-überzogenen Zustand kaum lang halten zu können…
In ihrer gummigen Weichheit kontrastieren Wurst und Ring mit der kühlen Härte der Zitronenpresse und des Fleischwolfs, die in der übertriebenen Zurschaustellung ihrer Mechanik ebenso an Cartoons erinnern – Tom&Jerry lassen grüssen. Was machen diese Geräte denn nun eigentlich? Pressen sie die Luft raus oder blasen sie alles auf, bis dasselbe passiert, was unserer Konsumwelt zu drohen scheint, nämlich: „KAWUMM“!

Text zur Kunstarbeit "Nicht heute"

Sind wir ehrlich, der Alltag und seine Verpflichtungen hält einen auf Trab: Aufstehen, Duschen, Zähne putzen, Kontrollblick in den Spiegel werfen, Mails beantworten, Aufträge erledigen, kurz einen Kaffee trinken, Einkäufe auf die Randstunden verschieben, um dann doch keine Zeit für sie zu haben und müde ins Bett zu fallen.

Bei so viel Tätigkeit hat man zuweilen den Eindruck, einige – wenn nicht sogar unzählige – zu sein. Das Selbstportrait als Disziplin der Kunst und als Praxis im medialen Alltag ist ein Versuch, sich seiner selbst wieder anzunähern, dasjenige zu finden, was all die Vielen in einem eint: Dies hat die Arbeit „nicht heute“ zum Thema, indem sie Möglichkeiten zur Selbstvergewisserung mithilfe verschiedener Medien und Techniken erprobt. Wenn die Portraitfotografien in der Arbeit zwar einen Moment festhalten, markieren sie doch immer die Differenz von der Gegenwart zum Zeitpunkt der Aufnahme – eine Eigenheit, die durch deren Präsentation im altmodischem Eichenrahmen zusätzlich unterstrichen wird. Demgegenüber gibt der Spiegel das „Hier und Jetzt“ wieder, kann dieses dafür nicht konservieren…
Vielleicht darum der Wunsch der Künstlerin, direkt Spuren des Selbst einzukratzen und sich so einer unmittelbar physischen Aufzeichnungstechnik zu bedienen? – die Spuren verflüchtigen sich dann aber doch je nach Lichteinfall wie ein Wasserzeichen. Es scheint fast, dass die Künstlerin sich nur dort zu begegnen vermag, wo sie gerade nicht ist. Genauso kann die Betrachterin oder der Betrachter sich der Künstlerin nur auf Umwegen annähern: über Bilder oder eine Kakaotasse, die wie ein Souvenir im Spiegelschrank aufbewahrt wird. Die Künstlerin ist immer anderswo – nur nicht hier und jetzt. Na dann gute Nacht – aber erst, wenn das Profilbild der
Künstlerin auf Instagram gecheckt wurde.

Text zur Kunstarbeit "Mikrowelle"

Man stelle sich vor, ein Dämon hätte mehrere Puzzles miteinander vermischt, um uns zu verwirren – das Lösen des ursprünglichen Puzzles eine hoffnungslose Aufgabe. Wie sehr man sich anstrengte, übrig bliebe ein fragmentarisches Bild kontingenter, nur noch auf sich verweisender Einzelteile. Dem Blick entzieht sich das grosse Ganze und die Elemente treten in einen wilden Dialog untereinander, ohne dass sich durch eine auszumachende Gemeinsamkeit Harmonie einstellte.

Die Bruchstücke der Arbeit Mikrowelle gleichen jenen disparaten Puzzleteilen: Einerseits verleihen die als Podest dienenden Teller und der an eine Schmuckvitrine erinnernde Kasten den Objekten Bedeutung, machen sie wertvoll und suggerieren so, dass ein jedes Relikt für sich selbst stehen kann, andererseits befindet es sich doch in einem mysteriösen Austausch zu den anderen. Zum Beispiel schützt sich der Gummihandschuh womöglich vor der ekligen Kaugummimasse, die fast wie eine Zunge aussieht und vielleicht die letzten Tropfen im Jägermeisterfläschchen auflecken möchte. Diese Flasche spielt wiederum mit dem Sujet auf ihrem Teller, genauso wie der ausgetrocknete Stumpen, der sich plötzlich in ein Holzstück verwandelt. Dieser Stumpen ist sicherlich dem Jägermeisters ein guter Freund, aber als maskulines Symbol dem Tampon doch nicht ganz geheuer. Im Reigen der wahrscheinlich zufällig vorgefundenen Dinge, denen – kontrastierend zu den Tellern – oft etwas unappetitliches anhaftet, bilden sich Klischees, symbolische Anspielungen und wechselseitige Kommentare. Die Betrachterinnen und Betrachter würden nur zu gerne Tageslicht in die dunkelrot schimmernde Auslegeordnung bringen und mit Hilfe logischen Denkens das Rätsel lösen – aber auch die Ziffern auf den Messingschildern bleiben obskur. Ist der Code eine Botschaft? Oder sagt er vielleicht etwas über die Herkunft und Identität der Objekte aus? Man weiss es nicht: Die Gegenstände bleiben Spuren aus der Vergangenheit. Oder gar aus der Zukunft? – jedenfalls erinnern ein paar an einen Science-Fiction-Film. Durch diese Konstellation scheint die Zeit im Kasten auf eigentümliche Weise eingefroren zu sein. Dieser bleibt eine Wunderkammer: Vor ihr warten wir geduldig, in der Hoffnung, dass die Spannung zwischen den Mikro-Objekten in unserem Kopf Wellen schlägt und das magisch-brütende Denken zum Glühen bringt.

Text zur Kunstarbeit "A-Kord"

Wenn nicht schon immer, dann spätestens heute sagen wir nicht ohne Überforderung: Alles ändert sich; was einst war, gilt nicht mehr; kein Tag, an dem man sich an nichts Neues gewöhnen müsste.

Um sich zu beruhigen, begegnet man innerlich dieser Aussage mit der Meinung, dass gewisse Dinge immer gleich bleiben. Sie können einfach nicht besser gemacht werden, sind keine Modeerscheinunng und zeigen sich resistent gegen jeglichen Fortschrittswahn – so hofft man insgeheim… Oder ist es schon passiert, dass man irgendwo einmal nicht wusste, wie der Klopapierspender zu bedienen ist? Im ärgerlichsten Fall ist er leer oder fehlt, ansonsten verlassen wir uns darauf, zumindest diesen ohne Anleitung mühelos bedienen zu können. Was aber passiert beim nächtlichen Toilettengang, wenn dem automatisierten Griff plötzlich etwas ungewohnt Raues begegnet, das sich so gar nicht nach Papier anfühlt? Spätestens wenn wir sehen, wie sich ein mit Schrauben versehenes Band schlangenartig vom Rachen des Spenders über den Boden ergiesst, bekommen wir es mit der Angst zu tun – insbesondere weil vermeintlich gesichertes Wissen ins Rotieren gerät. Die Arbeit A-Kord zeigt auf subversive Weise, wie Unheimlichkeit mehr aus Altbewährtem denn aus Fremdem und Neuem entsteht, genauso wie wenn ein vermeintlich banales Wort unzählige Male wiederholt wird: Das Wort verschliesst sich plötzlich, wird beinahe materiell und setzt sich mit Widerhaken gegen einen eindeutigen Sinn zur wehr. So erinnert der auf die seriellen Elemente der Arbeit anspielende Titel an das Material „Cord“ und ist auch dem Waffennarr ein Begriff: Kord ist nämlich der Name eines schweren russischen Maschinengewehrs im Kaliber 12,7 × 108 mm. Wenn man das weiss, erkennt man im aufgerollten Band einen Patronengurt, der die Gefahr der blinden Repetition symbolisch verdeutlicht. Lädt uns die Künstlerin vielleicht dazu ein, nicht alles zu wiederholen, sondern das Besetzt-Zeichen in unserem Denken mutig in ein Frei-Zeichen umzuwandeln? Dann liesse sie uns spüren, dass vermeintlich allgemein Bewährtes sich doch nur für eine bestimmte Anzahl Menschen bewährt, die anderen bleiben vor verschlossenen Türen. Das politische Moment der Kunst zeigt sich dann, wenn sie die obige Aussage, dass etwas einfach nicht besser gemacht werden kann, der Bequemlichkeit einer selbstgenügsamen Mehrheit überführt und verborgene Ausschliessmechanismen aufdeckt. Mit ihren eigenen Mitteln ergreift sie Partei für diejenigen, die nicht in ein tradiertes Raster passen und zeigt, dass Veränderungen uns nicht zwangsläufig in einen Zustand der dauerhaften Überforderung setzen, sondern Alternativen zum Besseren bieten – für alle, jenseits von Geschlechter- und Rassendiskriminierung. Vertrautes ist zum Glück doch vielschichtig und mehrlagig, genau wie das altbekannte Toilettenpapier.

Text zur Kunstarbeit "Interview"

Spieglein, Spieglein an der Wand, welche Zahnbürste ist die
schönste im ganzen Land? 30 Zahnbürsten, aufgestellt in Reih und Glied, buhlen um Einzigartigkeit und erzählen doch mehr von der Gleichförmigkeit des Alltags.

Feinste Nuancen in der Form suggerieren Fortschritt in einem Bereich, der kaum neu erfunden werden kann, und so mehr Indiz dafür sind, dass Design sich nicht in den Dienst der Funktion sondern der Vermarktung stellt. Wie die Bürsten den Gesetzen des Wettbewerbs unterworfen sind, so sind wir es auch: Gelbem Belag und schlechtem Atem müssen die Zähne gezeigt werden, damit man im Büro den Wirtschaftszwängen mit makellosem Lächeln begegnen kann. So ist der Titel «Interview» der Arbeit von Andrea Gerber ein «Inter-View» im Sinne eines Zwangs zur Selbstbeobachtung und Selbstoptimierung, um nicht aus der Reihe zu fallen. Dass dabei die Zahnbürsten über Wochen von Personen benutzt wurden, ist auch etwas unangenehm, der Wille zur Hygiene und Schönheit kann genauso ansteckend wie die
Krankheitskeime sein, die auf den geknickten Borsten lauern. Apropos Fortschritt: Die Wiederholung zeigt sich dann auch auf ­ironische Weise im Umgang mit der Kunstgeschichte; so erinnert man sich doch an jemand anderes, der vor 100 Jahren ein aus dem Nassbereich stammendes Stück Keramik als ready made ins Museum gestellt und ebenso mit einer Unterschrift versehen hat. Jetzt muss man lachen, und dies hoffentlich mit weissen Zähnen...

Text zur Kunstarbeit "Panzer"

Kartonrohre, einst verwendet als Verpackung von Gummigeschossen, wirken eigentlich harmlos, animieren womöglich Jung und Alt zum Basteln spektakulärer Kugelbahnen.

Wenn diese Rohre aber mit einem Spannset streng zusammengepresst sind und Golfbälle aus ihnen herausquellen, geistern düstere Bilder durch den Kopf; Assoziationen an Tierpanzer oder an die Raupe eines Militärfahrzeuges drängen sich auf, Schutz und Angriff bedingen sich gegenseitig. Da nicht jedes Rohr mit einer Kugel besetzt ist, sind sie Ziel- und Schiessrohre in einem - Sehen und Töten gehen eine gefährliche Symbiose ein. Und was bedeuten wohl die bunten Golfbälle? Erinnern sie eher an Bonbons oder Gummigeschosse? Golf spielen ist oft Hobby von Patriarchen und Clowns wie Donald Trump...

Text zur Kunstarbeit "Blaupause"

Archäologische Fundstücke, von der kleinen Münze bis zur formschönen Vase, finden ihre letzte Ruhestätte im Museum. Dabei scheint folgende Devise zu gelten: Je beschädigter, desto wertvoller. Gerade eine Tonscherbe verweist als Bruchstück auf unwiderruflich Verlorenes.

So auch die hellblauen Objekte auf und neben dem Sand: Sie teilen sich dasjenige, was ihnen allen fehlt und nur in der Fantasie des Betrachters Rettung findet. Ohne Wasser, somit frei von ihrer ursprünglichen Funktion und in ihrer reduzierten Formensprache erscheinen die Gegenstände wie ein Schatten ihrer selbst – oder eben als eine Blaupause. Plantsch und Plausch versanden in der Badi spätestens bei Saisonende – die Installation inszeniert dieses melancholische Moment in Form eines Stilllebens und hält so der heutigen Spasskultur nicht ohne Augenzwinkern die Sanduhr des barocken Memento Mori vor Augen. Begegnet man diesen verlorenen Objekten im Museum, blickt man nicht zurück, sondern nach vorn, um sich zu erinnern, dass man bereits verschwunden ist.

Text zur Kunstarbeit "BH"

Die Aufgaben eines BHs sind vielfältig und widersprüchlich: einerseits dient er der Figurenoptimierung für den Blick von anderen, andererseits soll er auch vor diesen schützen. Die Arbeit BH nimmt diese Widersprüchlichkeit auf und hält sie in der Schwebe.

Der an die Wand befestigte Helm teilt vieles mit einem BH: Er schützt, will aber auch mit seinem Design auffallen. Diese Verwandtschaft wurde mir klar, als ich meinen alten Vespa-Helm, der nach einem Unfall unbrauchbar geworden ist, wegwerfen wollte. Und wie durch eine geheime Verbindung entspricht das 28 auf dem Helm
den Buchstaben BH, was genauso eine Abkürzung für Büsten- oder Betonhalter sein kann. An die Wand gekettet, wirkt BH zwar üppig rund aber auch gefährlich abweisend – der Blick, welcher voyeuristisch den Busen sucht, prallt an der Härte des Objekts ab und sucht Assoziationen: Die mit einem Karabiner verbundene Kugel scheint aus einer SM-Kammer zu stammen, erinnert aber auch an die Fussfessel eines Comic-Ganoven. Oder ist sie gar ein leblos nach unten hängender Augapfel?
Die Interpretationen bleiben vielfältig, spielen aber auf Abhängigkeitsverhältnisse und Blickregime an – diese gibt es nicht nur zwischen den Geschlechtern sondern auch in der Kunst.

Text zur Kunstarbeit "15.08.2016 / 985 Minuten / 69.59 Meter"

Heute sind in 20 Minuten die wichtigsten News gelesen. Man hat fast den Eindruck, dass durch die Geschwindigkeit des Textschreibens und -lesens der Text an sich kaum mehr wahrge­nommen wird. Die Vergangenheit war da um einiges Materieller: Texte wurden in mühseliger Arbeit mit einzelnen Buchstaben von Hand gesetzt.
Waren Texte darum früher wertvoller, da ihr geistiger Wert immer auf einem materiellen Wert basierte?

Der Anfang dieser Arbeit fand in der geplanten Entsorgung einer alten Beschriftungsmaschine und den dazugehörigen Bändern statt. Ich überlegte es mir dann doch anders und verwendete die für den Moment nutzlosen Objekte für eine Kunstarbeit mit dem Arbeitstitel «aufwertende Verwertung». Dabei faszinierte mich, wie Texte
durch einen langsamen Materialisierungsprozess aufgewertet werden können. Deswegen war es für mich einleuchtend, den Text einer ­Gratiszeitung abzuschreiben – Buchstabe für Buchstabe. Die Wahl fiel auf das 20 Minuten; während der Realisation notierte ich mir das Datum der letzten Bearbeitung, meine Arbeitszeit und die Länge des Bandes. Diese Angaben bilden den Titel der Arbeit, der stets aktualisiert wird. Mich interessierte vor allem, Lesegewohnheiten zu hinterfragen: Heute fehlt die Zeit zum linearen Lesen und es hat sich eine Kulturtechnik des selektiven Querlesens entwickelt – Bilder und Übertitel unterstützen diese neuere Form des Schnelllesens. Die alten Beschriftungsmaschinen bieten keine Möglichkeit, Wörter heraus­zuheben – alles ist in Grossbuchstaben aneinandergereiht. Indem der Betrachter aufgefordert wird, eine grosse Strecke abzulaufen, respektive abzulesen, wird Zeit zu Raum, was das Lesen erlebbar macht: Man erfährt die Strecke eines 20 Minuten und im ­Hintergrund hört man die maschinelle Entstehung des momentan 69.59 Meter langen Textbandes.

Text zur Kunstarbeit "Die Pfeife"

Viele Künstlerinnen und Künstler sind Jäger – ohne Zweifel. Wie diese beobachten sie ihre Umgebung durch ein Visier und fangen etwas ein, um es für die Ewigkeit festzuhalten respektive an die Wand zu nageln.

Dieses freilich leicht maskuline Verhaltensmuster – erspähen, abschiessen und als Objekt aufhängen – wird in der Arbeit «Die Pfeife» von Andrea Gerber auf derbe Art aufgegriffen und ad absurdum geführt. Mit ihrer Strategie der Verfremdung setzt sie zu einem ironischen aber auch kräftigen Seitenhieb auf Männerdomänen und -trophäen an. Im Unterschied zu den Tierköpfen, welche als Jagdtrophäen die Wände urchiger Gasthäuser zieren, haftet dem Horn in Andrea Gerbers Arbeit nichts Dekoratives an. Eine Umkehrung von Objekt und Subjekt findet statt: Wenn die herkömmlichen Trophäen den Blick des Betrachters nie erwidern, ganz Objekt sind und so ohne Bedrängnis angeschaut werden können, windet sich das Pfeifen-Horn auf obszöne Weise aus dem Schild. Es ist aktiv, wirkt bedrohlich, ist beinahe lebendig und hat so nichts mit den ausgestopften Rehköpfen gemein, deren Blick verträumt in die Ecke zu schweifen scheint. Der selbstgefällige Jäger und Betrachter wird durch sein Opfer selbst in Frage gestellt. Aber der Provokation nicht genug: Das zierliche Messingschild verbindet derben, sexistischen Spott mit einer Ikone aus der Kunst­geschichte. Kein anderer als René Magritte muss als Titelgeber für die Arbeit hinhalten. Dessen «Pfeife», die von ihm wiederum als Pfeife angezweifelt wurde, gab schon viele Rätsel auf. Und nun hat man es mit einem Horn zu tun, das als Pfeife bezeichnet wird und an einen Penis (Pfeife) erinnert. Ob hier das Wort endlich zu seinem Objekt gefunden hat, indem es als Metapher erscheint, bleibt wohl unbeantwortet. Beide Arbeiten haben aber etwas gemein: Sie insze­nieren Dinge oder Worte in Form von Trophäen, um genau diese ­Darstellungsweise zu hinterfragen. Eine solche Darstellungsweise dient nämlich nur denjenigen, die Traditionen zur ewigen Allgemeingültigkeit erklären wollen – aus Angst, die eigene Position des selbstgefälligen benennenden und betrachtenden Jägersubjektes zu verlieren. Aber das Wort ist genauso wenig Jäger wie der Blick: ­Beide verfehlen ihr Objekt immerzu. Oder was würde René Magritte dazu sagen? Im Besten Fall nicht viel und ab so viel subversiven Witz lauthals Lachen.

Text zur Kunstarbeit "Do it"

Wer liebt es nicht, durch «Bau und Hobby Warenhäuser» zu schlendern und sich auf Entdeckungsreise neuer Objekte zu begehen. Beim ­Beobachten der vielfältigen Teile wird sich der Laie über deren Funktionen fragen.

Objekte, Teile von Maschinen und andere Dinge, die in unserem Alltag kaum Aufmerksamkeit erlangen, werden in der Arbeit «Do it» in ­Einmachgläsern konserviert. Die Objekte nimmt man im Alltag nicht wahr, weil sie teil einer Konstruktion sind. Plötzlich werden sie in dieser Arbeit zu Sammlerstücken ohne eindeutige Funktion. Sie werden in den Mittelpunkt gesetzt und mit Glimmer verkitscht - fast wie die Schüttelbecher an Weihnachten. Die Einmachgläser, die man schon aus Grossmutters Zeit kennt, ­fordern einem auf, die Konfitüre selber zu machen. Gleichzeitig ­animieren die Warenhäuser dieser Objekte die Menschen auf, Ihr Zuhause selbst zu renovieren.

Text zur Kunstarbeit "Blindgänger"

Eine alte, scheinbar aus dem Himmel gefallene Bildröhre schlägt einen Krater in den Sand. Über ihr schwebt die Rückseite eines ­Fernsehers und beleuchtet die Szene wie eine Drohne. Fliegt uns der Blindgänger bald um die Ohren? Wir wissen es nicht, zum Nachdenken regt er aber mit Sicherheit an.

Im Gegensatz zu schicken Flatscreens, die das Unzumutbare täglicher Gewalt in einem angemessenen Abstand halten, verwandelt sich die auf dem Boden liegende Bildröhre in eine Bombe. Indem das Medium zur Aussage wird, verwandelt es sich zu einem unerwünschten Eindringling, der die Bedrohung direkt ins Wohnzimmer bringt. Der Titel «Blindgänger» könnte so als Angriff auf all diejenigen verstanden werden, welche sich gerne berieseln (Sand) lassen, beim Anblick von Katastrophen die brilltante HD-Qualität loben und Bildschärfe mit Inhalt verwechseln.