Ausstellung Sektion Bern/Romandie
1. Gruppe Ausstellung Brücken bauen Unterseen
04. Juli 2024 - 11. August 2024
Galerie Kunstsammlung Unterseen
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4. Juli - 14. Juli
Alexandra Häberli
Barbara Freiburghaus
Barbara Ott
Belinda Vaqué
Brigitte Keist
Chantal Hediger
Cornelia Schmid
Erika Diserens
Esther Tschudin
Farzaneh Y. Nia Yaghoubinia
Florine Ott
Gaby Studer
Heidi Mathys
Isabelle Althaus
Karin Hofer
Klara Ittig Wyser
Krystyna Diethelm Vuillemin
Marie-Louise Broch
Marina Ortelli
Michelle Ringeisen
Ruth Righetti
Sabine Josefine Balerna
Sandra Elsig
Vorwort
Wir begrüssen Sie herzlich in der dreiteiligen Ausstellung «Brücken bauen».
In einer Umbruchzeit wie der aktuellen, in der das Gegenwärtige als unsicher empfunden und Brücken abgerissen werden, ist unsere Solidarität und das Errichten von Verbindungen dringlicher denn je. Dazu leistet qualitatives Kunstschaffen einen immensen Beitrag und setzt ein Zeichen.
Über 60 Künstlerinnen der SGBK, vorwiegend aus der Sektion Bern/Romandie, zeigen zum Ausstellungsthema «Brücken bauen» in der Galerie Kunstsammlung Unterseen und im denkmalgeschützten Stadthaus aus dem Spätmittelalter ihre faszinierenden Werke.
Die SGBK ist seit 1902 die Schweizerische Gesellschaft Bildender Künstlerinnen und ein Berufsverband. Sowohl für die etablierte als auch für die alternative Kunstszene bietet die SGBK den Künstlerinnen eine Plattform für ihre Anliegen. Wir möchten der Sichtbarkeit ihrer professionellen Arbeiten Rechnung tragen und unterstützend wirken. Die Freiheit, sich mit diversen Herangehensweisen auseinanderzusetzen, steht augenscheinlich im Vordergrund. Zahlreichen Künstlerinnen ist wichtig, sich keinen männlichen Klischees zu beugen, denn wie die Berner Künstlerin Meret Oppenheim schon in den 70er Jahren zu Bedenken gegeben hat, gäbe es keine explizit «weibliche Kunst», sondern nur authentisches Kunstschaffen.
In den aktuellen Ausstellungen sind diverse Medien und aus unterschiedlichen Perspektiven vertreten. Es werden kulturelle und interreligiöse Brücken über Epochen und Zeiten geschlagen. Das Kreatürliche begegnet der Technik, die Beziehung zwischen dem Menschen und der Architektur wird befragt.
Zahlreiche Formen, Farben, Materialien und Rhythmen leben von Symbolen und geistigen Verweisen auf ein Miteinander. Schliesslich lädt die Ausstellung auch ein in andere Dimensionen zu reisen und sich gleichzeitig ins innere Selbst zu versenken. Die lebendige Auseinandersetzung mit Kunst und Kunstschaffenden soll ebenso zu einer offenen und inklusiven Gesellschaft beitragen.
Wir wünschen Ihnen einen reichen Kunstgenuss mit vielen Entdeckungen.
Ursula Meier und Dominique von Burg, Kuratorinnen
Rundgang in der 1. Ausstellung „Brücken bauen“
Gleich im Eingangsbereich wird das Publikum von Figurengruppen wie im Werk mit dem hoffnungsvollen Titel «Living life in peace» von Brigitte Keist empfangen. Dazu gesellen sich Malereien von Alexandra Häberli, die der romantischen Sehnsucht nach einer idealen Landschaft Ausdruck verleihen.
Diese erste Begegnung mit dem Motiv Mensch und die Offenbarung der Natur lässt neue Horizonte erahnen. Für diese Vorstellungskraft steht bis heute der nächtliche «Mond» in der Kunstgeschichte. Er symbolisiert die Unendlichkeit und Weiblichkeit, repräsentiert aber auch den Wandel und die Vergänglichkeit. Ein Sinnbild dafür hat Belinda Vaqué geschaffen, deren überraschendes Werk «Blue moon» beim Treppenaufgang in das 1. Obergeschoss zu sehen ist.
Weiter in der Ausstellung werden auch gesellschaftsrelevante Themen wie interkulturelle Verbindungen, Menschenrechte und Diversität aufgegriffen.
Florine Ott führt uns über ihre Transferlithografien reale dramatische und existentielle Szenen von flüchtenden Menschen auf dem offenen Meer vor Augen, die aufgrund von Krieg, Armut, Umweltkatastrophen und Diskriminierung auf Asyl hoffen. Damit verweist die Künstlerin indirekt auf eine mangelhafte Empathie und die Migrationspolitik.
Ruth Righettis Installation «Sneakers Report» thematisiert ebenso die Missachtung der Menschenrechte. Die baumelnden Turnschuhe stehen nur vordergründig für den derzeitigen Lifestyle-Trend. Tatsächlich beziehen sie sich auf die Massenproduktion in den Billiglohnländern und damit einhergehend auf die Ausbeutung der Wanderarbeiter:innen. Der Sicherheit sowohl der Frauen als auch der Umwelt wird durch die Belastung keine Rechnung getragen. Die Inszenierung schlägt im Zeitalter der Globalisierung einen weiten Bogen von Südostasien bis in die Schweiz.
Auch im Dachgeschoss erinnern die mit Holz, Draht, Papier und Fundstücken aus der Natur konstruierten Schiffsobjekte wie die «Mayflower» von Esther Tschudi daran, obgleich auch spielerisch-poetische Momente in dieser Aufbruchsstimmung aufblitzen. Denn Tschudis Werktitel «Shangrila» deutet auf einen Sehnsuchtsort in Tibet hin, an dem Menschen unterschiedlicher Herkunft in Frieden zusammenleben könnten.
Das Bild «Blumen am Weg» von Sabine Josefine Balerna offenbart in Pastellfarben ein zartes Panoptikum, in das sich flüchtige Wichtigkeiten und Gedankenperlen verweben und zu gesamtkosmischen Zusammenhängen verflechten. Dabei sollen die «Blumen am Weg» nicht übersehen, sondern wertgeschätzt werden.
Das davor angebrachte Objekt «feine Fäden» erobert die Raumdimension. Die filigranen Fäden verbinden sich, entwickeln Stärke und tragen nur gemeinsam. Gleichzeitig ermöglichen sie auch neue begehbare Wege.
Die Arbeiten von Chantal Hediger sprechen von der existentiellen Verbindung des Menschen mit der Architektur, insbesondere von der Ausdruckskraft von Gebäuden und welche gegensätzlichen Emotionen sie in uns auslösen. So suggerieren geschwungene, organische Formen oft Anmut und Harmonie, während geometrische Formen Stärke und Stabilität evozieren können. Denkt man nur an die ehrfurchtgebietende Wirkung einer Kathedrale, während ein gemütliches Haus ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit vermittelt.
Gegenüber diesem urmenschlichen Bedürfnis konfrontiert uns Krystyna Diethelms Collage «Die Zukunft» mit dem weiten und umstrittenen Gebiet der digitalen Medien und birgt ein gewaltiges Potential für Utopie und Dystopie. Den hoffnungsvollen Faktoren in der Medizin und der Chirurgie stehen unsere Bedenken und Ängste gegenüber. Diese kreisen neben der Angst vor dem Jobverlust, um die Datenfülle und der Frage von welchen Instanzen sie überwacht und reguliert werden. Können da noch Transparenz, Erklärbarkeit und Verantwortung garantiert werden, denkt man nur an die Wirkungsmacht von ChatGPT.
Erika Diserens paradoxe, weil unbegehbare Brücke, schwebt im Raum und vermittelt den Betrachtenden ein Gefühl von Haltlosigkeit. Denn die sechs individuell bemalten Kuben driften auseinander und werden nur von einem dünnen Karbonrohr und Nylonfäden zusammengehalten. Wie überaus fragil dieses Brückenkonstrukt letztlich ist, zeigt sich daran, wie einzelne Kuben aus dem Verbund abbrechen, sprich ausgeschieden werden, und scheinbar ins Bodenlose fallen. Für die Künstlerin versinnbildlicht sie eine existentielle Ortlosigkeit in der heutigen Welt. Sie bewirkt ein Gewicht von Ungerechtigkeiten und eine Art Trennung von allem, was uns umgibt. Dieses quälende Gefühl der Nichtigkeit schreibt die Künstlerin der fehlenden Akzeptanz von unterschiedlichen Kulturen und Religionen zu.
Bevor man den Treppenabgang zum Ausgang nimmt und vom Mond in die Weite verabschiedet wird, stösst man auf ein Kunststoffgewehr, das ein afghanischer Künstler im Auftrag der Künstlerin Florine Ott herstellen liess. Diese Transformation erinnert an den prophetischen Slogan «Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen» der Friedensbewegung in Ost- und Westdeutschland anfangs der 80er Jahre. Auf der buntbemalten Waffe in der Ausstellung prangt die Schrift «Peace» und aus dem Gewehrlauf erblühen Zweige als Hoffnungsschimmer.